Nicht genug, daß die sommerlichen Temperaturen dem Volk den Schweiß aus den Poren treibt, nun trieb auch noch eine Verkündung der aktuellen Regentin, Lady Nicki, den Menschen die Perlen auf die Stirn.
Hatten wir schon fast gedacht, im Rat sei gerade eine beschauliche Phase eingekehrt, schließlich hörte man seit kurzer Zeit kein Gekeife mehr aus Stuttgart, wurden wir jäh mit einem Paukenschlag aus dem Sommerloch geholt. Stille Wasser können bekanntlich tief sein. Der Rat ging in eine Offensive und die Regentin veröffentlichte folgende Verlautbarung:
Werte Bürgerinnen und Bürger Württembergs,
der Rat hat in den letzten Wochen darüber diskutiert, Württemberg vom
Königreich abzuspalten. Nach Abwägung der Gründe, die dafür und dagegen
sprechen, wurde eine offene Abstimmung durchgeführt, bei der sich von 12
Ratsmitgliedern 10 für eine Abspaltung entschieden, 2 haben sich
enthalten, da noch Informationsbedarf bestand. Wir wollten in Ruhe und
mit Bedacht alle anstehenden Fragen und die notwendigen Schritte klären,
bevor wir mit einem fertigen Konzept vor euch, werte Bürgerinnen und
Bürger, treten. Diese Zeit wurde uns jedoch nicht gegeben, da bereits
Gerüchte kursieren und bevor diese emotional ausufern, wollen wir Euch
umfassend und sachlich informieren.
Was hat uns bewogen, diesen Schritt gehen zu wollen? Nun, Württemberg
ist schon immer eine starke Provinz mit einem stolzen Volk gewesen und
ist es noch.
Wir sind wirtschaftlich stark genug, um selbständig agieren zu können.
Wir haben eine gut aufgestellte und zahlenmäßig starke Armee.
Wir haben hervorragende Juristen, um ein eigenes Berufungsgericht errichten zu können.
Wir wären unabhängig von den ganzen Reichsinstitutionen, deren
Diskussionen immer wieder in Machtspielchen diverser Familien ausarten
und endlos lange dauern, da derselbe Sachverhalt in mehreren Gremien
diskutiert wird, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann.
Wir könnten selbständig Justiz- und Handelsabkommen und sonstige Verträge abschließen, ohne den König fragen zu müssen.
Zahlungen an die Reichsarmee würden wegfallen. Als größte Provinz haben wir dort immer am meisten einzahlen müssen.
Unser Warenhandel läuft jetzt schon weit überwiegend mit dem Ausland und weniger mit den deutschen Provinzen.
Wir wären weiterhin dem Kaiser unterstellt. Als Nachteil einer
Abspaltung vom Königreich wird oft angeführt, dass ein Bündnis wie das
DKR größeren Einfluss im Kaiserreich hat als eine einzelne Provinz. Das
ist zunächst einmal natürlich richtig. Es kommt aber auch darauf an, was
diese einzelne Provinz zu bieten hat und ich denke, davon haben wir
eine Menge, unsere Schiffe z.B. sind für das Kaiserreich ein wertvoller
Faktor.
Nach einer Abspaltung vom Reich würden wir natürlich weiter gute
Nachbarn bleiben. Die anderen deutschen Provinzen brauchen nicht
befürchten, dass wir uns von ihnen abwenden werden. Besonders im
Justizbereich ist eine enge Zusammenarbeit unumgänglich.
Auch militärischer Hilfe werden wir uns im Notfall nicht verschließen,
aber wir könnten dann selbst entscheiden, wohin wir unsere Soldaten
schicken. Einem Einsatzbefehl des Kaisers ist natürlich wie bisher auch
Folge zu leisten.
Die Abwägung all dieser Gründe hat den Rat bewogen, den Schritt in die
Selbständigkeit gehen zu wollen. Der nächste Schritt würde der Gang zum
Kaiser sein, der eine Abspaltung vom Königreich genehmigen muss.
Bevor wir den jedoch gehen, wollen wir euch, werte Bürgerinnen und
Bürger Gelegenheit geben, eure Meinung dazu zu sagen. Auch für Fragen
stehen wir zur Verfügung.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir noch keine offiziellen
Schritte eingeleitet haben und uns auch nicht von heute auf morgen
ablösen wollen. Wir werden uns die Zeit nehmen, die wir brauchen, um
alles zu klären und gut vorzubereiten.
Dafür, daß die Regentin eine Abspaltung zum wiederholten Male anstrebte und daher um die Gegenwehr im Volk hätte wissen müssen, waren die vorgebrachten Argumente mehr als dürftig. Selbst wenn man keine Zeit gehabt hat ein Konzept auszuarbeiten, ausgereiftere Vorstellungen hätten dann doch im Kopf der Regentin parat liegen müssen. Auch der Zeitpunkt, das halbe Volk ist im Krieg, der letzte Abspaltungsversuch lag grade ein Jahr zurück, hätte nicht schlechter gewählt sein können. Umso schneller erschienen Abspaltungsgegner auf der Bildfläche, die einige gute Argumente gegen eine Abspaltung vorbrachten. Hierbei stand der Rat zwar geschlossen hinter seiner Regentin, leider aber auch überwiegend schweigend.
Wenig hilfreich war dabei sicher auch das Verhalten anderer Entrüsteter, die ihrem Ärger weniger logisch, dafür eher laut und in unangemessener Wortwahl kundtaten.
Die Wellen schlugen so hoch, daß sie sogar unseren Herrn Kaiser aus dem Bett spülten, der prompt verlauten ließ, daß er ein Referendum, also eine Abstimmung zu einer Abspaltung, verböte. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Auch der Vizekönig sprach von Verrat. Dabei ist eine Abspaltung im Grunde nichts ungesetzliches, diese Option wird allen Provinzen in der Magna Charta angeboten.
Schließlich beendete die Regentin ihren Vorstoß am nächsten Abend mit einem weiteren Aushang:
Werte Bürgerinnen und Bürger von Württemberg,
ich sehe keinen Sinn mehr darin, die Diskussion hier fortzuführen. Ich
kann nur immer und wieder dasselbe sagen. Es tut mir leid, dass ich auf
einzelne Fragen nicht mehr eingehe, aber es ist für mich erschreckend,
wie emotional, polemisch und teilweise sogar nahezu hasserfüllt dieses
Thema angegangen wurde. Als ob wir uns morgen abgelöst hätten. Ich will
mich jetzt aber nicht wieder und immer wieder wiederholen. Wir wollten
ein Meinungsbild und nicht mehr.
Dass es soweit kommt, dass hier eine Verfügung des Kaisers ausgehangen
wird, obwohl der Kaiser noch gar nichts davon wissen kann, weil niemand
ihn kontaktiert hat, finde ich mehr als befremdlich.
Dass unter den Soldaten im Kriegseinsatz Stimmung gemacht und Angst
geschürt wird, hat in meinen Augen etwas von einer Hetzjagd an sich.
Dass für die Wahrheit kein Raum geschaffen werden wollte, die Fakten
immer wieder ignoriert und basierend auf Unwahrheiten weiter dagegen
agiert wurde, nimmt dem Ganzen am Ende allen Sinn.
Diese Gründe bewegen mich nun, das Thema hier schließen zu lassen und das Thema auch im Rat zu beenden.
Der
einzig positive Effekt der ganzen Idee ist jedoch der, das man seit langem nicht so viele
Bürger, Bauern, Handwerker, Vasallen, Amtsträger, Bettler und Tagediebe
versammelt sah und hörte, selbst die letzten Feierlichkeiten konnten
keinen solchen Ansturm auslösen. Auch in die Politik scheint Leben zu
kommen, denn diese vom Rat ungewollt gelieferte Steilvorlage wird
Wählerstimmen bringen. Die W.E.I.N. meldet sich zurück und eine
Württembergische Vasallin erklärt sich bereit, eine 4. Liste ins Rennen
zu werfen.
So viel Leben in der Bude Württemberg würden wir jedenfalls gern öfter sehen.
